
Von Dr. Andreas Brenne nach der Filmvorführung und Diskussion am 26. April 2019. Osnabrück, Museumsquartier.
“Freitag Abend im Museumsquartier Osnabrück: Red Haircrow – “Forget Winnetou! Loving in the wrong way” (Film und Diskussion)
“Ein anregender Abend im vollbesetzten Haus. Mit dabei: zahlreiche Lehrende und Studierende der Uni Osnabrück (Institut für Amerikanistik, Institut für Sozialwissenschaft) und der Autor und Produzent des Films Red Haircrow (Autor, Psychologe & Filmemacher). Ein eindringlicher und in seiner Direktheit beeindruckenden Dokumentarfilm gab er den in Deutschland ansässigen Native Americans eine Stimme und präsentierte kontroverse Positionen und Perspektiven auf das Thema „Herkunft und kulturelle Identität“.
“Kein Infotainment a la Michael Moore sondern ein fundraising Film mit begrenztem Budget. Insofern lag der Fokus auf den sehr persönlichen Statements, die durch Interviews mit Experten (u.A. Hartmut Lutz) ergänzt wurden. Auch die anschließende Diskussion mit dem Autor war sensibel und inhaltlich komplex. (Red Haicrow: Wunderschöne Bücher, ich wünschte ich hätte Karl May einmal kennengelernt) sondern eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem deutschen Bild des Indianers. Wertschätzung, Interesse, Aneignung und stereotype Diskriminierung liegen oft nah bei einander und es ist hilfreich dies näher zu untersuchen. Ein Ausweg – so der Autor – ist Begegnung, Kontakt und Interaktion. Und natürlich soll man weiter Karl May lesen und zur Aufführung bringen. Von politisch korrekten Bearbeitungen (wie jüngst bei #PipiLangstrumpf) hält Red Haicrow gar nicht. Man sollte Winnetou also nicht vergessen, sondern unter einer anderen Perspektive wieder entdecken. Ein gelungener und auch nachdenklicher Abend.”
Eine weitere Filmrezension
“Warum sollten Sie diesen Film sehen? Weil er neue Perspektiven eröffnet. Weil er zum Nachdenken bringt. Weil er innovativ ist. Und weil das Thema uns alle angeht.
Winnetou kennen die meisten (weißen) Deutschen, selbst wenn sie Karl Mays Bücher nicht mehr selbst gelesen haben. Wir Deutschen lieben Indigene Kultur. Wir sehen oft schon als Kinder Filme und lesen Bücher darüber. Manche von uns gehen so weit, in ihrer Freizeit “Western-Parks” zu besuchen, sich zu Karneval als “Indianer*innen” zu kostümieren oder an den Wochenenden Indigene Kultur “nachzuerleben”. Aber echte Indigene Personen? Die heute in Berlin leben? Darüber wissen die meisten von uns nichts.
Der Film ändert das. Er zeigt auch sehr nachdrücklich, dass unsere Faszination für Indigene Kultur alles andere als harmlos ist. Kulturelle Aneignung heißt das, wenn sich Weiße ohne Erlaubnis Elemente anderer Kulturen zu Eigen machen. Selbst mit den besten Absichten hat das rassistische Effekte. Also: ja, der Film leistet wichtige dekoloniale Arbeit.
Und falls Sie nicht weiß sind? Sollten Sie den Film trotzdem anschauen. Er zeigt eine oft übersehene Facette der hiesigen kulturellen Landschaft, dokumentiert aber gleichzeitig, wie überkommene rassistische Strukturen und Stereotype Indigenen Individuen in Deutschland das Leben schwer machen. Heißt: da muss sich was ändern. Der Film gibt wichtige Hinweise wie. Vor allem aber zeigt er heutiges Indigenes Leben in all seiner Komplexität auf eindringliche, bewegende Weise. Wer braucht da noch Winnetou?
Ja, für all die Fehlinformationen, reaktionäre Empörung und Verlogenheit, die im Umlauf sind und die von vielen deutschen Medien absichtlich geschürt wurden.
Ich habe auch ein Zitat aus einem Interview mit Dr. Bolz aus dem Jahr 2017 gefunden, das sehr relevant für die deutsche Reaktion auf die rassistische und sexistische Ravenburger Publikation “Cancellation” und die fortgesetzte Ausbeutung von Mays Namen, Schauplatz und Figuren ist. Vor allem musste ich an die weißen CIS-Männer denken, die größtenteils immer noch diese spezielle kulturelle Aneignung, den Missbrauch und die falsche Darstellung vorantreiben.
Obwohl ich glaube, dass das meiste davon unwahr ist, zum Bespiele, wird sich die Stereotypisierung nicht ändern. Viele Menschen haben ihre Sichtweise auf positive Weise geändert, was zu bewundern ist. Bolz’ Zusammenfassung eines bestimmten Typs von weißen Deutschen ist zutreffend.
“Die Stereotypisierung kann und wird sich nicht ändern, weil es nicht der Charakter der Deutschen ist, dies zu tun. Sie wollen, dass die Dinge einfach sind. So wie es ihnen gefällt. Und außerdem wollen die Deutschen nicht über die Komplexität oder die Probleme nachdenken, die durch das, was sie tun, verursacht werden. Sie mögen Indianer, sie wollen sich wie sie verkleiden und das nachspielen, was sie für ein vergangenes “indianisches” Leben halten. Sie wollen nicht über die Folgen ihres Handelns nachdenken oder diese bedenken.”
Manche mögen das als “engstirnig”, antiquiert und monolithisch bezeichnen, nicht wahr?
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